Statements2021
Statements
Natur in der Freien Religion
Spätestens jetzt sollten wir ins Grübeln kommen. Denn wer schon mal in Griechenland oder Spanien oder der Türkei oder wo es auch immer in diesem Jahr brannte, war und jetzt die Bilder der einmal bereisten Gegend mit ihrer vernichteten Natur sieht, dem bleibt wie mir nur der Schrecken. Warum ich das erwähne?
In vielen Aufsätzen lese ich die Hinweise auf unsere Freiheit in der Religion, auf die Möglichkeit und Notwendigkeit, sich eine eigene Anschauung zu bilden und selbstverantwortlich zu handeln.
Religion betrachten wir als emotionale und kognitive Bindung an die Welt mit Betonung auf Vernunft und Diesseits und einer humanistischen Ethik, die wir als vom Menschen ausgehend und geschaffen und nicht von Göttern vorgegeben ansehen.
Aber und deswegen mein Einleitungssatz, es gab schon früh im Konzept einer Freien Religion die inhaltliche Aussage, dass der Mensch ein Teil der Natur ist. Mit dieser Aussage grenzte man sich ab gegenüber der Ansicht der monotheistischen Religionen, der Mensch sei eine spezielle Schöpfung Gottes und herrsche über die Natur. Daniel Lock erläutert in einem Interview mit der ZEIT (Nr. 33. 12.8.2021, S. 47), wie sehr John Locke die Vorstellung, Natur sei Eigentum des Menschen und dieser habe den göttlichen Auftrag, sie nutzbar zu machen, christlich theologisch begründete und auch kolonialistische Ausbeutung rechtfertigte. Bis heute ist diese Auffassung in vielen Köpfen verankert, auch wenn der theologische Hintergrund nicht mehr wahrgenommen wird.
Für mich ist daher diese Abkehr vom christlich begründeten Herrschaftsverhältnis über die Natur ein zweites Standbein unserer Anschauung, neben der Freiheit des Denkens die Einsicht in unser Eingebundensein in eine größere Welt, die über uns hinausreicht ein wesentliches Grundprinzip. Diesen Punkt sollten wir verstärkt aufgreifen und vertiefen. Was hieße das für eine Freie Religion? Wo müssten wir über das Konzept der Betonung der Freiheit des Menschen hinausdenken und wie müssten wir diese Aussage, der Mensch ist Teil der Natur, erklären und entfalten?
Aus meiner Sicht heraus reicht es nicht aus, nur kognitive Erklärungen dabei anzubieten. Zur Religion gehören emotionale Beziehung und Bindung. Aber welche Emotionen leben wir in unserer Beziehung zur Natur?
Ferner gehört zu den meisten Religionen der Aspekt des Opfers (s. Scott Atran, aber auch und vor allem Rene Girard), etwa des Zurückgebens für etwas Empfangenes oder als Weg zur Erzwingung der Einhaltung von Regeln. Müssen wir auch diese Haltung berücksichtigen?
Doch zuerst schicke ich einige Überlegungen voraus, was „Teil der Natur sein“ konkret heißt. Wir sind strukturell mit allen anderen Lebewesen verwandt, durch Gene und Stoffwechsel sind wir abhängig von anderen Lebewesen wie auch von der nichtbelebten Welt, da wir Sauerstoff und Wasser für unser Überleben brauchen.
Naturbild: unser Wissen über Natur
Natur ist dabei außerhalb und innerhalb von uns. Außerhalb: dazu gehört all das, was Menschen nicht selbst machen, z.B. andere Lebewesen, die Mensch auch dann nicht macht, wenn wir sie züchten oder Gene bei ihnen austauschen. Innerhalb: das ist all das, was ein Mensch mitbringt, um zu leben: Gene, Stoffwechsel, schlicht die physiologischen, aber auch psychologischen Voraussetzungen. Dabei ist deren Veränderung Teil des Lebensprozesses, wir entscheiden bis zu einem guten Grade selbst, wieweit wir mit deren Verändern gehen wollen. Die letzte Grenze bleibt der Tod.
Nach welchen Regeln wir Veränderungen vornehmen, ist letztlich unsere Sache, denn wir können auch unser Aussterben veranlassen. Daher bleibt Ethik eine Aufgabe des Menschen, die wir nicht delegieren können, auch nicht an die Natur. Daher lehne ich den Sozialdarwinismus ab, denn Vorstellungen von der Durchsetzung der angeblich Stärkeren sind kulturell und nicht natürlich.
Auswirkungen unserer Ansicht, Teil der Natur zu sein
Teil der Natur heißt für mich nicht, wie ein Ziegel in einer Mauer zu sein, also sozusagen festgezurrt auf einen bestimmten Platz und keine Freiheit, keine Beweglichkeit zu haben. Stattdessen sehe ich mich in Prozesse eingebunden, die ich beeinflusse und mitgestalte. Eine völlige Selbstgestaltung ist wie erwähnt nicht möglich, ich muss immer wieder auf Materialien und Prozesse zurückgreifen, die ich vorfinde, egal wie sehr ich sonst etwas verändere. Verändern bedeutet auch immer, dass diese Veränderungen auf mich zurückwirken. Und Veränderungen an mir selbst wirken auf andere Menschen und Lebewesen und auf unser aller Lebensgrundlagen.
Veränderungen durch Menschen sind ja auch hilfreich, z.B. gibt es in manchen sogenannten Kulturlandschaften eine größere Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten als in umliegenden Gebieten, etwa auf Wiesen entlang Flussläufen.
Teil der Natur sein hat für mich aber noch eine weitere Implikation. In der Natur finde ich keinen Anhaltspunkt, hierarchische Modelle zur Beschreibung der Lebewesen und Lebensgrundlagen einzuführen. Wenn wir sagen, dass bestimmte Tiere an der Spitze einer Nahrungspyramide stehen, kann man daraus keine Aussage über den Wert eines Lebewesens ableiten. Bessere Bilder wären Netzwerk, Kreisläufe, man kann auch von Verwobenheit sprechen. Hierarchien mögen menschliche Gesellschaften beschreiben, aber die Beziehungen in der Natur lassen sich mit der Vorstellung von „übergeordnet und untergeordnet“ nicht erfassen. Es sind kulturelle Vorstellungen, mit der Menschen versuchen, die Abläufe in den Lebensprozessen für sich zu interpretieren.
Einfache Ursache-Wirkungs-Theorien reichen zur Darstellung der Beziehungen in der Natur und zwischen Menschen und Natur nicht aus, es braucht komplexere Modelle, die das Hin und Her versuchen zu erfassen und nicht nur eine Richtung bedenken.
Zur Erkenntnis, ein Teil der Natur zu sein, gehört auch die harte Einsicht, dass Menschen jederzeit als Spezies aus der Natur verschwinden können, ohne dass damit die Natur selbst verschwindet. Wir sind wie jede andere Spezies vom Aussterben bedroht.
Teil der Natur sein beinhaltet: egal wie viele Zwischenschichten an Kultur wir zwischen uns und Natur schieben, wir können den natürlichen Prozessen nicht entgehen. Die Natur ist eben nicht bloße Kulisse, die wir nach Belieben auf- oder abbauen.
Emotionale Beziehung zur Natur: ist das nötig?
Ich nutze Religion als Begriff für das Wissen um eine und das Gefühl einer Bindung an etwas, das uns übersteigt. Natur übersteigt uns eindeutig. Welche Form der Gefühle hilft mir bei der Umsetzung dieses Wissens?
Ein wichtiges Gefühl nannte schon Albert Schweitzer: seine Forderung nach Ehrfurcht vor dem Leben. In dem Gefühl mischen sich zwei, zum einen Furcht, zum zweiten Ehre.
Zu Recht fürchten wir die Natur. Auch wenn viele der angeblichen Naturkatastrophen durch menschliche Fehler mit verursacht werden, sind die Kräfte, die bei derartigen Ereignissen wirken, immens. Schon aus diesem Grunde ist ein anderer Umgang mit der Natur und Furcht vor ihren Prozessen vonnöten.
Zum anderen steckt in diesem Begriff das Ehren, wir anerkennen Natur als etwas, das uns nicht untergeordnet, sondern mindestens gleichwertig, eher übergeordnet ist.
Verehrung wäre nicht das, was uns weiterführt, denn zur Verehrung gehört als Gegenpart die Entehrung, mit dem Großmachen des Verehrens ist die Gefahr des Kleinmachens und Vernichtens untrennbar verbunden.
Andere Begriffe wären Respekt, Achtung.
Weitere Emotionen gegenüber der Natur wären: Geborgenheit, das Gefühl, nicht allein zu sein, sondern dazuzugehören, Trost, Entspannung, Wohlsein. Auch das zeigt sich vielfach, wie gut Menschen das Draußensein im Grünen, umgeben von Wald, Wiese, vom Rauschen eines Baches usw. tut. Diese Seite wird oft gegenüber dem Spaßhaben oder bloßen Sich-dort-Vergnügen-können vergessen.
Und eine weitere Emotion sollte in uns gegenüber der Natur wirksam werden: Neugier, Neugier auf andere Lebewesen, auf Verstehen der Zusammenhänge, auf Wissen, was da geschieht auf einer Wiese, in einem Garten, wie die anderen Lebewesen ihrerseits uns beeinflussen und mit uns in Verbindung sind.
Probleme aus der Abhängigkeit von der Natur
Menschen haben immer auch ein Bedürfnis nach Kontrolle über ihre Ressourcen. Dies muss anerkannt werden, aber gleichzeitig muss bedacht werden, dass diese Kontrolle nicht umschlägt in einen Allmachtswunsch, dem Streben nach totaler Beherrschung des Lebens um uns, wie es leider immer noch in den Köpfen vieler herumspukt. Daher muss Freiheit mit Anerkennung ihrer Grenzen verbunden werden. Hier kann das Gefühl der Demut wichtig werden als Gefühl der Kleinheit gegenüber der Natur, z.B. angesichts eines Gebirges, einer Wüste, eines Sturmes oder eben einer Katastrophe.
Emotionen gegenüber der Natur sind vielschichtig, auch zweideutig, es ist eben nicht nur eine Emotion, die wir ihr gegenüber empfinden, und sie ist nicht immer gleich, je nach Situation, in der wir uns erleben.
Mit welchem Handeln drücken wir Einsicht in diese Bindung aus?
In menschlichen Beziehungen gehören Nehmen und Geben untrennbar zusammen. Soziale Bezüge werden aufrechterhalten, in dem man für das, was gegeben wird, auch etwas zurückbekommt. Im Menschlichen kann dies sogar übersteigert werden, in dem man durch mehr Geben andere verpflichtet, was oft Unbehagen hinterlässt. Trittbrettfahrer, Personen, die nur nehmen, sind in allen Gesellschaften nicht gern gesehen, und alle Kulturen treffen Vorkehrungen, derartiges Handeln so gering wie möglich zu halten.
In Kulturen, die Subsistenzwirtschaft betreiben, also unmittelbar abhängig von dem Ertrag ihres selbst bearbeiteten Landes sind oder sich durch Jagd etc. ernähren, gehört Respekt vor der Natur zu ihren Anschauungen dazu, ebenso wie oft mühselig errungene Umgehensweisen, die der Natur verbrauchte Ressourcen zurückgeben. Und vielfach wird dieser Respekt in Riten des Zurückgebens auch symbolischer Art ausgedrückt.
Zurückgeben müssen wir auch, denn sonst spielen wir gegenüber der Natur Trittbrettfahren.
Rein symbolisch zurückgeben reicht dabei nicht, das erfahren wir inzwischen mehr als überdeutlich.
Wenn wir also dieses Standbein unserer Anschauung ernst nehmen und gründlich durchdenken, sollten wir konsequent auf die Entwicklung einer Ehrfurcht vor der Natur als Teil menschlicher Emotionalität hinarbeiten. Wir sollten auch konsequent darauf bestehen, dass nicht nur entnommen, sondern auch angemessen zurückgegeben wird. Die Betonung liegt hier auf angemessen. Müll zu hinterlassen gehört nicht dazu.
Beispiel: wenn ein Haus gebaut wird, nehmen wir zum einen Platz, nehmen Baumaterialien.
Beides müssen wir in irgendeiner Form wieder zurückgeben: Platz etwa, indem wir Dächer begrünen oder Pflanzen ins Haus holen, Gärten möglichst vielfältig gestalten oder anderswo Flächen nicht mehr benutzen. Bei Baumaterialien sollte von vorneherein mehr überlegt werden, wie diese wieder zurück in den Kreislauf kommen, und das möglichst vollständig.
Dieses Zurückgeben kann als Opfer betrachtet werden, die Aufgabe mancher eigenen Bequemlichkeiten empfinden viele oft genug als Opfer. Aber wenn wir unsere Anschauung als Religion ernst nehmen, dann sind solche Opfer notwendig, im Akt des Zurückgebens wie auch als Ausdruck unserer Bereitschaft, der Natur gegenüber uns an Spielregeln zu halten wie in der Gesellschaft auch.
Unterschiede zu anderen Naturbildern
Es bedarf außerdem einer Abgrenzung des Naturbildes in der Freien Religion von anderen Vorstellungen, etwa des Animismus: Unser Wissen zur Natur fundiert auf wissenschaftliche Erkenntnissen, wir streben danach, Natur nicht einfach zu vermenschlichen, zu anthropomorphisieren.
Pantheistische Sichtweisen sind dabei Formen des Naturbildes, aber aus der Bezeichnung der Natur als göttlich folgt nicht die Möglichkeit, eine Ethik aus ihr abzuleiten.
Daher gehört die Ablehnung teleologischer Naturbilder oder Natur als Mutter- oder Elternbild dazu, denn das wäre eine Vermenschlichung, zu deren Gefahren sich Feuerbach ausführlich äußerte.
Zusammenfassend
Den Menschen als Teil der Natur zu bezeichnen bedeutet vor allem Abschied von Allmachtsfantasien, wie sie immer noch religiös unterschwellig begründet in vielen Köpfen existieren.
Wir sollten konsequent auf die Entwicklung einer Ehrfurcht gegenüber der Natur dringen, darin unsere Bindung an sie anerkennen, unsere Möglichkeiten zur Veränderung begreifen und die Rückwirkungen unseres Handelns auf uns beachten. Achtung vor Lebewesen als autonome Wesen und Verzicht auf Einteilung in nützlich oder schädlich sollte selbstverständlich werden. Unsere Bindung an Natur ist auch Verpflichtung ihr gegenüber und Verantwortung, dass wir Kreisläufe aufrechterhalten statt auszunutzen.
Wie leben wir diese Einsichten?
Zum einen sollten wir unsere Umgebung in Achtung vor der Natur, den Mit-Lebewesen gestalten. Wir sollten in unseren Gemeinschaften und als Gemeinschaft in der Gesellschaft Pläne, die Naturräume betreffen, sei es für Straßenbau etc. gründlich auf ihre Auswirkungen auf diese Räume und das Leben dort prüfen.
Wir sollten auf Handlungen und Dinge, die schaden, verzichten, auch wenn es dabei unbequem wird. Und notwendig ist ein Einbeziehen der Mitlebewesen in die Ethik, auch im Hinblick auf unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Menschengenerationen. Wir sollten jene positive Wirkung, die Natur auf uns ausübt und zur Entspannung und Erholung beiträgt, anerkennen und lehren.
Und wir sollten unser Staunen gegenüber dem Leben in seiner Vielfalt stärken oder neu lernen, denn auch darin drücken wir Ehre gegenüber anderen Lebewesen und ihrem Wert aus.
Ich stelle mir vor, dass ich in der Natur sozusagen zur Miete lebe. Dafür bezahle ich, damit das Haus, die Natur insgesamt erhalten wird und ich muss, wie es sich für gute Mieter*innen gehört, auch die Wohnung und das Umfeld pflegen und sauber halten, nicht zuletzt für die, die nach mir einziehen werden.
Unsere Anschauung bietet uns ein Weltbild, das noch wichtiger werden wird, um zu überleben. Sind wir uns dessen bewusst genug und treten konsequent genug dafür ein?
Auch da werden sich unsere Gemeinschaften an ihren Worten messen lassen müssen.
Renate Bauer
Dachverband zur Bündelung der freigeistigen und säkular-humanistischen Kräfte
Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e. V. (DFW) ist ein Zusammenschluss von freien Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Bundesrepublik Deutschland und vertritt ca. 18.000 Mitglieder. Der 1991 aus dem 1949 gegründeten Deutschen Volksbund für Geistesfreiheit hervorgegangene DFW tritt für die Verwirklichung der in Artikel 4 GG garantierten Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ein. Er erhebt den Anspruch, die besonderen weltanschaulichen, sozialen und kulturellen Interessen der dem säkularen Humanismus verbundenen kirchenfreien Menschen zu vertreten. Dabei entwickeln seine Mitgliedsverbände entsprechende kulturelle Angebote (z.B. Jugendweihe/Jugendfeier, andere Lebensfeiern, Trauerhilfe), soziale Projekte, Bildung und gemeinnützige Einrichtungen.
Der DFW steht als Vertreter freigeistiger, d.h. freireligiöser, freidenkerischer, freier humanistischer und unitarischer Menschen ein für Humanismus, Toleranz und Menschenwürde. Er setzt sich für die Durchsetzung und Sicherung der Menschenrechte, für ein friedliches Zusammenleben der Menschen, unabhängig von ihren religiösen, weltanschaulichen und politischen Anschauungen, ihrer Herkunft, ihrer Lebensauffassung und ihres Geschlechts sowie für die Gleichstellung aller Menschen ein.
Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften vereint zurzeit neun freigeistige Vereinigungen und Funktionsgruppen. Er vertritt die unterschiedlichen Interessen seiner ihm angehörenden freien Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Deutschland und ist als Mitglied in den Humanists International und in der Europäischen Humanistischen Föderation aktiv. Mit manch Auseinandersetzung und dem Ringen um die konsensfähige und vernünftige Lösung eines Problems hat der Dachverband seine Aufgaben formuliert und realisiert, hat sie überprüft, kritisiert und verändert. Dabei bleiben auch manche Gesichtspunkte offen und ungeklärt. Nicht immer führen Auseinandersetzungen im DFW zu Resultaten, doch ohne sie hätten wir kein demokratisches Miteinander und keine Dachverbands-Identität. Wir merken immer wieder, dass Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Offenheit und Gleichberechtigung die wesentlichen Voraussetzungen für gemeinsames Arbeiten sind. Sie wahren die Identität des DFW und den Respekt und die Toleranz voreinander, die zu freundschaftlicher Verbundenheit führen.
Wichtig bei der Arbeit im Dachverband sind die Gewissheit gemeinsamer Grundpositionen und ein Wohlwollen untereinander. Dazu gehört die Auffassung, dass Werte und Normen eines Gemeinwesens nur bei Wahrung der Würde jedes Einzelnen im Dialog vereinbart werden können. Intolerante Ideologien, Dogmen, rassistische und völkische Denk- und Verhaltensweisen, autoritäre Strukturen sowie Gewaltanwendung und -androhung stehen im Widerspruch hierzu. Der DFW ist parteipolitisch unabhängig und tritt für die Trennung von Staat und Kirche und die Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein. Unsere freien Weltanschauungen leben davon, dass sie auf verschiedene Zugänge und Quellen bauen und Verbindung zu den Wissenschaften halten. Wir haben keinen Bezug zu monotheistischen Religionen und lehnen das Staatskirchentum und den Monopolanspruch der christlichen Kirchen ab. Uns verbindet, dass wir geistige und soziale Lebenshilfen über unsere Vereinigungen hinaus anbieten und als Kultur- und Interessenorganisation tätig sind. Wir treten für die Gleichbehandlung aller Weltanschauungen und Religionen in Staat und Gesellschaft ein, soweit diese keinen Absolutheitsanspruch erheben und ihre Ansichten nicht auf undemokratische Weise durchsetzen möchten.
Gerade die Vertretung der kulturellen, sozialen und politischen Interessen kirchenfreier Menschen, das Eintreten für einen säkularen Humanismus und die Sicherung der Menschenrechte führt die Mitgliedsverbände des DFW immer wieder zu gleichen Grundpositionen und zum gemeinsamen Handeln. Wichtig erscheint uns weiterhin die Wahrung der Identität jedes Verbandes und eines toleranten Miteinanders zwischen unseren freigeistigen Organisationen, das auch manches Tabu gelegentlich aufbricht, um in der Sache weiterzukommen.
Als ideelle Basis im DFW konnten wir erkennen, dass wir keine übernatürlichen Kräfte sehen und benötigen, um sich die Zusammenhänge der Welt und des Zusammenlebens der Menschen in der Natur zu erklären. Denken, Geist und Glaube haben für uns keine Tabus und Vorurteile, keine Dogmen, vor allem keine religiösen Dogmen. Daher sprechen wir auch von freier Geistigkeit und mit Recht von Menschenwürde.
Hauptanliegen damals wie heute ist, mit einer Stimme gemeinsam nach außen aufzutreten, vor allem in den gesellschaftspolitischen Bereichen und den Medien. Der Respekt vor der Identität des Anderen, seinen Sichtweisen, Traditionen und verbandseigenen Verfahrensweisen ist der Garant dafür, dass der DFW seine Aufgaben erfüllen kann, er nicht an Streit zerbricht oder auf der Stelle tritt und er das Gemeinsame in die Zukunft trägt. Diesen Respekt müssen wir immer wieder erringen. Dabei darf nicht ausgeschlossen sein, dass man sich in der Sache kritisiert oder unterschiedliche Positionen innerhalb des Dachverbandes duldet und erträgt und nicht gleich den Grundkonsens im DFW infragestellt. Toleranz und freies Denken und Handeln sind zunächst unter den freigeistigen säkularen Vereinigungen selbst nötig, um glaubwürdig unsere Forderungen öffentlich zu vertreten.
Eine wichtige Funktion des DFW besteht in der Verteidigung gegen Angriffe auf einzelne Mitgliedsverbände. Neben den berechtigten Aktivitäten, sich mit der eigenen Verbandsgeschichte kritisch auseinanderzusetzen, gibt es gelegentlich auch ungerechtfertigte Angriffe.
Wie verstehen wir uns selbst? Welche Identität ist das Wesen unserer Aktivitäten? Unsere Vereinigungen vertreten undogmatische Lebensauffassungen, die auf den Menschenrechten basieren und diese umzusetzen wie zu schützen trachten. Dies hat Konsequenzen! So sind wir der Auffassung, dass sich Menschen ihren Sinn des Lebens – im Rahmen ihrer jeweiligen Kultur – selbst geben und keine irrationalen oder übernatürlichen Mächte für ihre Welterklärung benötigen. Wir stehen in den freigeistigen Traditionen der Aufklärung und des Renaissancehumanismus sowie der atheistischen, freireligiösen, freidenkerischen und humanistischen Bewegungen des 18. bis 20. Jahrhunderts. Die Debattenkultur innerhalb des DFW und der Respekt zwischen seinen Mitgliedsverbänden haben sich trotz mancher historischer Schwierigkeiten gut entwickelt. Der Grundsatz, dass die Zusammenarbeit im DFW bei Wahrung der Traditionen und Identitäten der Einzelnen erfolgt, ist eine Garantie für das Funktionieren des Dachverbandes.
Die Idee der Humanität enthält die Forderung, dass kein Mensch wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Tradition, wegen seiner politischen und religiösen Überzeugung oder wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert oder gar verfolgt werden darf (sofern er mit seinen Überzeugungen und Vorlieben keinem anderen Menschen Schaden zufügt). Er würde sich, meinte Voltaire (1694–1778), jederzeit dafür einsetzen, dass selbst seine Feinde ihre Meinung frei äußern dürfen. Die richtige Aufforderung zur Toleranz ist natürlich einfach auszusprechen, aber nicht leicht in die Tat umzusetzen.
Wir sehen den tiefen Bruch in der freigeistigen Bewegung, die 1933 durch den Nationalsozialismus zerschlagen wurde. Viele Freigeister fielen den Nazis zum Opfer, litten oder emigrierten. Die Vorgängerin, die „Reicharbeitsgemeinschaft freigeistiger Verbände der deutschen Republik“, konnte während der Weimarer Republik eine umfassende Aktivität entfalten; sie vertrat über eine Million Mitglieder. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war auch die Bildung des „Weimarer Kartells“ ein erfolgreicher Versuch, die freigeistigen Kräfte in Deutschland zu bündeln, einer Zersplitterung entgegenzuwirken und gemeinsame Interessen zu formulieren und umzusetzen. Somit steht unser heutiger Dachverband in einer klaren direkten Traditionslinie demokratischer freigeistiger Interessenzusammenschlüsse, die trotz aller Individualität und gelegentlichen Zersplitterung der angemessene selbstbestimmte Weg für Vereinigungen und Körperschaften kirchenfreier Menschen in Deutschland darstellt.
Die Trennung von Staat und Kirche, wie sie schon im Mai1949 im Gründungsaufruf des Dachverbandes als Forderung enthalten ist, reicht weit zurück in die Anfänge unserer Bewegung, in die Aufklärung und in die freireligiösen Bestrebungen der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Eine Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens, keine Privilegierung nur einer weltanschaulich-religiösen Richtung, die Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, insbesondere der Schutz weltanschaulicher und ethnischer Minderheiten, standen und stehen im Vordergrund. Dabei richten wir uns gegen fundamentalistische und sektenartige Entwicklungen sowie gegen den Alleinvertretungsanspruch der beiden christlichen Kirchen, alleinige moralische Instanz in der Gesellschaft zu sein. Freidenker, Atheisten, Agnostiker, Monisten, Freireligiöse, Unitarier und andere haben natürlich auch eine Ethik, haben humanistische Grundwerte und Verhaltensweisen!
Die Wahrung der Menschenwürde und die Einhaltung der Menschenrechte erhalten in der Gegenwart ein größeres Gewicht für die Arbeit des DFW. Dies betrifft Fragen von Krieg und Frieden und des Natur- und Umweltschutzes ebenso. Doch auch innere Probleme in der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Union, die mit Rassismus, Fanatismus, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus oder weltanschaulicher Intoleranz verbunden sind, haben verstärkt unsere Aufmerksamkeit.
Als die Gründerväter des damaligen Deutschen Volksbundes für Geistesfreiheit am 8. Oktober 1949 in Wiesbaden zusammengekommen waren, um einen gemeinsamen Verband zu gründen, spielten gewiss mehrere Überlegungen eine Rolle: Die Erfahrungen aus der Zwangsherrschaft und Hitler-Diktatur, aus Krieg und Not haben die überlebenden Menschen tief gezeichnet und ihre Lebensgrundlagen drastisch verändert. Weltanschauungen gingen zu Bruch, ethische Lebensvorstellungen galt es, neu zu gewinnen.
Der DFW strebt seit Langem ein Dach für alle an, sieht sich aber keinesfalls selbst schon als dieses freigeistige Dach an. Es ist im Dialog zu entwickeln. Hierbei ist die Diskussion um die Zentralratsidee hilfreich, wenn sie auch einige Illusionen beinhaltet. Der Begriff „Dachverband“ erscheint uns sehr tragfähig und offen, Begriffe wie „3. Konfession“, „Zentralkomitee“ und „Leitkultur“ werden im DFW eher kritisch gesehen oder gar abgelehnt. Die grundsätzlich positiven Aspekte des Koordinierungsrates säkularer Organisationen e.V. (KORSO) werden wir weiter diskutieren und mitgestalten.
Unsere Bündnisarbeit mit anderen, dem DFW nicht angehörenden Verbänden hat sich verbessert, sodass so mancher auch über Schatten der Vergangenheit oder Vereinsdünkel gesprungen ist. Das Bestreben nach mehr Gemeinschaftlichkeit zwischen den freigeistigen und humanistischen Verbänden ist dem DFW eigen. Darum bemüht er sich auch aktiv, im KORSO – in der Nachfolge der Sichtungskommission verschiedener säkularer Verbände – mitzuarbeiten. Der KORSO benötigt weitere und neue Impulse, mehr Lobby und mehr Offenheit und Aufeinander-Zugehen. Dazu ist der DFW bereit. Die Debattensituation im gesamten freigeistigen oder säkularen Spektrum ist leider nicht so offen und vertrauensvoll, wie wir es uns wünschen. Konkurrenzen, der gelegentliche Hang zur Hegemonie und das Abwerben von Mitgliedern sind vorhanden. Leider werden inhaltliche und organisationspolitische Unterschiede manchmal als persönliche Eigenheiten von einzelnen Funktionsträgern betrachtet.
Die globalen Entwicklungen, die Europäische Vereinigung und das Zusammenwachsen der beiden deutschen Teile sind Anlass, uns der zukünftigen Wege des gemeinschaftlichen Lebens und Wirtschaftens im eigenen Land und im Verhältnis zu anderen Staaten und Völkern bewusst zu werden und zu vergewissern. Unser Streben nach Glück hat nur Würde, wenn es nicht auf dem Unglück anderer aufbaut. Unser Streben nach Würde muss die anderen als Gleiche anerkennen.
Unser Programm für Humanismus, Menschenrechte und dogmenfreie Lebensgestaltungen ist nicht veraltet. Es ist Ausdruck Neuen Denkens und setzt aufklärerisches Denken fort. Aufklärerisches Neues Denken verbindet sich mit weltbürgerlicher Identität, Geistesfreiheit und Menschenrechten. Wir sind eine nicht ruhende Einmischung in die Verwirklichung der Bürger- und Menschenrechte, wo immer sie verletzt werden – sei es im Inland oder im Ausland, sei es in der Gegenwart oder in der Zukunft.
Dr. Volker Mueller, Falkensee
Miteinander. gewaltfrei. Leben. gestalten!
Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. trauert mit den Angehörigen um die ermordeten Mitmenschen von Hanau. Mit ihnen fühlen wir das Entsetzen und den Schmerz um den Verlust.
Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. verfolgt das Ziel, die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundrechte im öffentlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen. Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. sieht in dem Gedanken der Toleranz ein universelles Verhaltensprinzip und strebt dessen Verwirklichung in allen Lebensbereichen an. Der menschenverachtende Terroranschlag auf arglose Menschen in Hanau wie auch der weitere Anschlag am Rosenmontag, der zurückliegende Terroranschlag in Halle, der Mord an einem Regierungspräsidenten sowie ähnliche Gewalttaten sind mit dieser Vorstellung nicht vereinbar! Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. vertritt die Auffassung, dass Werte und Normen eines Gemeinwesens nur bei Wahrung der Würde jeder Einzelnen im Dialog vereinbart werden können. Der Maßstab hierfür ergibt sich aus dem Grundgesetz, in dem insbesondere die Einhaltung der Grundrechte die Qualität des Zusammenlebens prägen. Intolerante Ideologien, völkische Denkweisen und andere Formen des Rassismus, Dogmen, autoritäre Strukturen und Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung stehen im Widerspruch hierzu.
Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. tritt für die Freiheit der Weltanschauung, des Glaubens, des Gewissens und der Religion ein. Er wendet sich jedoch gegen jegliche Gewalt gegenüber Mitmenschen: Das Selbstbestimmungsrecht der Einzelnen endet dort, wo die jeweils Andere in ihren Menschen- und Grundrechten verletzt wird.
Terror und Mord sind niemals hinnehmbar und müssen vom Staat sanktioniert werden. Jede Einzelne hier Lebende ist Teil dieser Gesellschaft. Die von den UN verabschiedeten Menschenrechte gelten für alle Bewohnerinnen der Bundesrepublik Deutschland - und sollten nicht nur gegenüber Diktatoren eingefordert werden. Die Achtung von Menschen- und Grundrechten ist nicht allein staatlichen Institutionen vorbehalten, sondern jede von uns, jede Einzelne, kann/muss diese Achtung in das gemeinsame öffentliche und private Leben einbringen. Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. sieht im Recht auf Selbstbestimmung gleichzeitig auch die Pflicht zur Selbst- und Mitverantwortung der Einzelnen, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft gewaltfrei und unter Wahrung der Würde jeder Einzelnen zu gestalten.
Der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V. verurteilt jede Gewalt gegen andere Menschen. Jeder Anschlag und jedes Opfer sind eines: - zuviel!
Swaantje Schlittgen
Präsidentin
Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften e.V.
Stellungnahme der Freireligiösen Landesgemeinde Baden zur gleichgeschlechtlichen Ehe
Die katholische Kirche hat ein weiteres Mal festgestellt, homosexuellen Paaren keinen Segen erteilen zu können, so eine offizielle Pressemitteilung des Heiligen Offizium aus Rom. Diese Erkenntnis der Kirche ist nicht neu, wirkt im Jahr 2021 sogar sehr alt. Die Begründung, man wäre nicht befugt, eine gleichgeschlechtliche Ehe zu segnen, da sie Gottes Plan widerspreche, klingt eher, als wäre das Offizium in seine Ursprünge als Wächter der Inquisition zurückgefallen. ...weiterlesen...
Einziger Lichtblick dieser Pressemitteilung ist wohl, dass selbst durch die vatikanischen Mauern des Kirchenstaates hin und wieder die moderne Welt dringt. Und zwar so deutlich, dass die katholische Kirche sich gezwungen sieht, auf das Rufen der Menschen zu reagieren. So scheint es wohl doch noch Hoffnung für Homosexuelle zu geben, die auf einen kirchlichen Segen hoffen. Aber sie werden lange warten müssen: Bei Galileo Galilei waren es fast 350 Jahre.
Der Rat der katholischen Kirche an Homosexuelle, doch bitte auf sexuelle Handlungen zu verzichten, ist menschenverachtend. Ist die Sexualität doch ein wichtiger Teil des Menschseins. In der katholischen Kirche selbst zeigt sich immer wieder, was geschieht, wenn Menschen gezwungen werden, ihre Sexualität zu negieren.
Mensch sein - das bedeutet für uns Freireligiöse jeden Menschen in seiner Gänze anzunehmen. Ihm nicht zu verbieten oder vorzuschreiben, was er glaubt, wie er lebt oder eben liebt.
Wir können keine Absolution anbieten - und das wollen wir auch nicht. Wir bieten einen Raum für freie Geister, die sich als Teil einer humanistischen Gemeinschaft verstehen. Eine freireligiöse Trauung feiert die Liebe zwischen zwei Menschen, nicht ihr Geschlecht. Sie ist daher ein offenes Angebot für Menschen der unterschiedlichsten sexuellen Orientierungen.
Frei sei der Geist und ohne Zwang der Glaube, das ist einer unserer Leitsprüche. Daher verurteilen wir die inhumane Haltung des Heiligen Officiums und bieten Alternativen.
Wir Freireligiösen feiern bei unseren Trauungen ganz selbstverständlich die Liebe zwischen zwei Menschen, egal welchen Geschlechts. Die Zeremonie ist feierlich, immer individuell und findet oft im Grünen statt. Vor allem steht sie auch für Nichtmitglieder, zum Beispiel für nun zu Recht unzufriedene Katholiken, offen.
Freireligiöse Landesgemeinde Baden
Die Zeiten ändern sich – und wir?
von Renate Bauer
Haben Sie genug von all den Veränderungen, die im letzten Jahr auf Sie zukamen? Das wäre sehr verständlich, denn nicht alle waren angenehm. Manche jedoch sind inzwischen wohl zur neuen Gewohnheit geworden. Wir können uns nun zähneknirschend mit Neuem abfinden und weiter alten Gewohnheiten oder „Normalitäten“ oder wie immer man das nennen will, nachtrauern. Helfen wird das nicht viel, denn weitere Veränderungen werden kommen und uns neu herausfordern.
Vielleicht haben Sie auch festgestellt, dass man sich besser fühlt, wenn man selbst Veränderungen plant und gestaltet. Man sichert sich damit ein Stück Kontrolle über das eigene Leben. Wissend, dass es auch weiterhin anders werden wird als früher, hilft es uns eher mehr, wenn wir nicht weiter den Kopf in den Sand stecken, sondern uns selber darum kümmern, was wir verändern wollen.
Deswegen will ich ansehen, was wir aus dem letzten Jahr mitnehmen. Und wieweit können wir selbst nun vorausblickend handeln und damit uns und unsere Umwelt stärken?
Aus dem letzten Jahr sind es für mich drei Themen, die wir beachten müssen und die ich hier thesenartig vorstelle:
· Der Mensch ist ein soziales Wesen.
· Die Natur in ihrer Vielfalt ist notwendig nicht nur für unser physisches, sondern auch für unser seelisches Überleben.
· Jetzt ist die Zeit, die Veränderungen, die der Kampf gegen den Klimawandel uns abverlangen wird, selbst voranzutreiben.
Wir sind soziale Wesen
Als Landessprecherin war ich gewohnt, Kontakt zu vielen Menschen zu haben und zu halten. Gleichzeitig habe ich es während meiner Berufszeit auch genossen, mal allein zu sein, einen Tag oder auch mehrere, zu wandern oder zu lesen oder eine neue Stadt anzusehen.
Von daher dachte ich wie viele, naja, Kontaktbeschränkungen sind kein Problem. Waren sie für mich auch nicht, ich genoss die Zeiten zum Spazierengehen, Lesen, mich um Pflanzen zu kümmern, ich hatte ja immer noch Kontakte. Andererseits war ich über mich selbst erstaunt, wie wichtig es für mich in dieser Zeit war und weiter ist, diese Kontakte auch lebendig zu halten, und wie sehr ich mich freute, wenn Anrufe von weiter weg lebenden Freunden kamen, oder ich mich mit anderen Personen, die ich länger nicht sah, doch wieder persönlich treffen konnte.
Ich erlebte an mir, wie sehr direkter und persönlicher Kontakt für das menschliche Wohlbefinden unverzichtbar ist. Geholfen haben im Wesentlichen auch nicht die digitalen „Freunde“, sondern der analoge Kreis von Menschen um einen herum.
Je stabiler dieser ist, umso sicherer fühlen sich Menschen. Es ist wichtig, neue Menschen kennenzulernen, neue Begegnungen zu haben, aber es gilt, den nächsten Schritt zu tun und sie bei gegenseitigem Wohlgefallen einzubinden in ein festeres Geflecht von Freundschaft und Bekanntschaft. Das ist zwar Arbeit, doch unerlässlich. Dafür auch mal in Kauf zu nehmen, dass es zwischen unterschiedlichen Ansichten und Gewohnheiten Reibungspunkte gibt, gehört zum Gestalten von guten Beziehungen dazu.
Die Natur in ihrer Vielfalt ist für uns auch seelisch notwendig
Manche werden sagen, als Freireligiöse, Humanist*innen usw. verstehen wir uns sowieso als Teil der Natur, warum das nochmal besonders betonen?
Sich als Teil der Natur zu verstehen, scheint zwar eine eindeutige Aussage zu sein, ist es aber nur bedingt. Dass wir den größten Teil unserer DNA mit allen anderen Lebewesen gemeinsam haben, dass wir Produkt der Evolution sind, dass wir andere Lebewesen, Tiere wie Pflanzen essen und brauchen, damit wir atmen können und sauberes Wasser haben, damit wir vor Kälte und Regen geschützt sind, scheint doch selbstverständlich. Theoretisch können wir das alles bejahen, wir leben aber nicht so, dass wir die Beziehungen zu dem Leben um uns auch wahrnehmen oder gar berücksichtigen.
Wer in den letzten Monaten nicht reisen konnte, war darauf angewiesen, seine unmittelbare Umgebung als Erholungsort aufzusuchen. Mehr Menschen als sonst strömten an die zugänglichen Fluß- und Seeufer und in nahegelegene Wälder. Städtische Parks mussten teilweise wegen Überfüllung geschlossen werden. Das Wandern als Freizeitbeschäftigung wurde wiederentdeckt. Nach einem Spaziergang im Grünen fühlte man sich erholt.
Leider haben viele Menschen die Naturbereiche mehr als Kulisse betrachtet statt als Lebensraum. Wälder oder gar Naturschutzgebiete wurden außerhalb vorgegebener Pfade durchquert, Müll wurde hinterlassen, so als gebe es dort genauso Müllwerker wie in den Städten, die hinter einem aufräumen, und als gebe es in diesen Gebieten nicht auch noch andere Lebewesen, die sich nicht wie die Menschen in Häuser zurückziehen können.
Wir können daraus erkennen, wie wichtig solche Naturgebiete für die eigene Erholung und das seelische Wohlbefinden sind. Wir müssen aber gleichzeitig mehr tun, sie zu bewahren. Dazu zählt die Pflege eines Parks in der Stadt genauso wie der Schutz von Wäldern und Mooren, ja sogar die Vielfalt der Felder brauchen wir nicht nur zum Schutz von Boden und Nahrung, sondern auch zum Erholen unserer Sinne. Und nicht zuletzt liegt es an uns mitzuhelfen, die Zersiedlung unserer Landschaften, das Zubetonieren von immer mehr Land zur Errichtung neuer Straßen, Siedlungen oder Industrieflächen zu verringern oder zu beenden. Wo sonst sollen wir noch zum Erleben von Natur hin? Und denken wir auch an die Menschen, die keine Autos haben oder nicht mehr gut zu Fuß sind? Sollen sie keine Bäume außer den mickrigen am Straßenrand mehr sehen dürfen?
Veränderungen selbst beginnen ist gut für uns und die Natur
Inzwischen lese ich in vielen Zeitungsbeiträgen, oder im Internet, dass ein Zurück zur alten „Normalität“ wie vor der Pandemie eine Illusion sei. Wir werden nicht mehr so leben können wie vor der Pandemie.
Ich habe in einem Aufsatz im letzten Jahr ebenfalls schon angedeutet, dass es gar nicht unbedingt wünschenswert ist, zurück zum „vor der Pandemie“ zu wollen. Gründe dafür sind nicht nur das Virus (oder sollte ich besser sagen, die Viren, denn andere Erreger stehen schon in den Startlöchern?), sondern auch die Notwendigkeit, intensiv den Schutz des Klimas voranzutreiben.
Bedeutet das, nicht mehr feiern zu können?
Eher nicht, vielmehr bedeutet es, sich von der Wegwerfmentalität und dem Konsumismus zu verabschieden und die Dinge, mit den wir uns umgeben, langfristig und nachhaltig zu nutzen und dafür einzutreten.
Es wird sicher bedeuten, auf manche Bequemlichkeiten zu verzichten.
Es wird auch bedeuten, dass Preise den tatsächlichen Verbrauch an Energien, Land und Wasser abbilden müssen und was es kostete, Abfälle zu entsorgen.
Es wäre nicht nur notwendig, entsprechende Gesetze zu beschließen und durchzusetzen, genauso wichtig scheint mir, dass wir alle uns bemühen, mitzudenken und mit zu handeln. Denn wie oben gesagt: wenn wir selbst Veränderungen einleiten, stärkt das unser Wohlbefinden.
Ausblick
Wie können wir einen Beitrag leisten, um den Klimawandel abzuschwächen?
Nicht alle haben das Geld oder die Möglichkeit, ein Haus zu isolieren, Solarzellen aufs Dach zu stellen und eine Wärmepumpe in den Garten, um auf diese Weise kein Öl und kein Gas mehr zu verbrauchen. Nicht alle können oder wollen sich ein Elektroauto anschaffen. Nicht alle können auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, um zur Arbeit zu kommen. Nicht alle haben so viel Geld, um nur noch im Bioladen einzukaufen.
Was bleibt noch?
Worauf könnten Sie verzichten?
Was würden Sie anders machen als bisher?
Was können unsere Gemeinschaften tun, um einen größeren Beitrag zur Vermeidung von CO2 und für einen geringeren Verbrauch von Ressourcen zu leisten?
Ich möchte Sie einladen, zu schreiben, was Sie schon alles machen, was Ihnen noch einfällt, welche Pläne Sie haben und wie Sie in Ihren Gemeinden darauf hinarbeiten, den Klimawandel zu verringern.
Von einer solchen Ideen-Sammlung können alle profitieren und es macht Mut, etwas zu tun und das womöglich noch gemeinsam.
Ich freue mich auf Ihre Anregungen.
Renate Bauer
Das Recht auf Gleichberechtigung – Wer’s glaubt!
Gleichberechtigung in der weltanschaulichen Ausrichtung war und ist der säkularen Welt schon immer ein Anliegen gewesen. Nicht nur um die eigenen Befindlichkeiten durchzusetzen und in den Vordergrund der Aufmerksamkeit zu lenken, sondern um klar zu definieren, dass jeder Mensch ein Anrecht hat, selbst zu entscheiden, welcher Weltanschauung dieser Mensch sich zugehörig fühlt.
In einem christlich geprägten Land mit humanistischen Traditionen aufzuwachsen, ist in Deutschland definitiv ungefährlicher als in einem afrikanischen oder autoritär geführten Land, aber auch in einer Demokratie wie hier gibt es viele Unstimmigkeiten in den politischen Entscheidungen.
Die Anwendung der Religions- und Weltanschauungsfreiheit wurden nicht nur vor Weihnachten wieder mit Füßen getreten, insbesondere das Recht derer, die von den Sonderregelungen für Versammlungen zur Ausübung religiöser Rituale ausgeschlossen waren.
Wieder einmal waren es christliche Gottesdienste, die über andere Weltanschauungen gestellt wurden, über das Bedürfnis anderer Gruppierungen, sich weltanschaulich oder religiös gemeinsam zu stärken. Ein Gleichstellungseffekt ist hier nicht gegeben.
Selbst in Pandemiezeiten, wo es wissenschaftlich erwiesen ist, dass Zusammenkünfte jeder Art im großen Stil die Infektionszahlen nach oben treiben, wir kulturelle und genüssliche Verzichte in Kauf nehmen müssen, wird aber eine Ausnahme für die Ausführung von Religion, nur für eine christliche Sicht- und Lebensweise gemacht? Gibt es eine Regel, die sich darauf gründet, dass christliche Menschen weniger gefährdet sind, weil ihr Glauben an ihren Gott sie vor jeder Erkrankung schützen wird?
Ich kann mich nicht erinnern, dass bei den Infektionszahlen nach der Religionszugehörigkeit gefragt wurde bzw. dass Corona hier einen Unterschied gemacht hätte.
Wäre dies der Fall, könnten die Menschen dieser Religionsgruppe sich ja auch weiterhin in Theatern, Restaurants und anderen Räumlichkeiten treffen, aber hier scheint die Vernunft über die bittere Zuordnungsmoral gesiegt zu haben.
Schade, dass wir in Deutschland immer noch nicht so weit sind, weder in der Gleichberechtigung der Geschlechter noch in der Religionszugehörigkeit bzw. der Trennung von Kirche und Staat.
Traditionen sind gut und schön, aber es gibt immer noch einen dringenden Weiterentwicklungsbedarf.
Silvana Uhlrich-Knoll
Spendenaufruf für Lamine,
einen jungen Humanisten in Not
Die Nachrichten in den letzten Monaten sind voll von Schlagzeilen über Menschen, die nicht nur mit Homeschooling und der Arbeitszeitorganisation an der Grenze der Überforderung hin- und herpendeln. Es sind Künstler, Selbstständige und kleine Betriebe, die mit den Schließungszeiträumen wichtige Einnahmequellen verloren haben. Tief ergreifende Schicksale, gerade wenn wir die Menschen dahinter persönlich kennen.
Lamine Madani hat es ebenfalls schwer getroffen. Als junger gebildeter Mensch ist er aus Algerien nach Deutschland gekommen, um hier Englische Literatur zu studieren und seinen Doktortitel zu erlangen. Obwohl er keine staatliche Förderung in Anspruch nahm, wurde ihm der Weg nach Deutschland nicht leicht gemacht. Mit viel Unterstützung der Universität Potsdam und Kontakten im humanistischen Umfeld gelang es Lamine, sein Studium 2018 zu beginnen, welches er bis 2020 mit einem Master beenden wollte. Die Motivation und Freude waren groß, Lamine suchte sich eine Wohnung, einen Nebenjob und ging fleißig zur Uni. Er schrieb Artikel, nahm an Veranstaltungen mehrerer humanistischer Organisationen teil und versuchte sich weiterhin auf dem Laufenden zu halten, was in Algerien vor sich ging.
Doch das Leben in Deutschland ist nicht einfach, wenn einen die Fixkosten auffressen. So kam es, dass Lamine es nicht schaffte, bis März letzten Jahres sein Studium zu beenden. Die Visumstelle zeigte kein Erbarmen und wollte ihn sofort wieder nach Hause schicken. Wieder machte sich die Universität Potsdam stark für ihren Schützling und Lamine erhielt seinen Pass mit Visum zurück. Kräftetechnisch hat Lamine sehr gelitten, aber die Hoffnung war groß, noch einmal neu zu starten. Doch Corona ließ die Studentenjobs rar werden, viele Einnahmequellen standen den Schülern und Studenten nicht mehr zur Verfügung. Lamine kam also wieder in einen Strudel des Überlebens. Billiglohnjobs und lange Schichten trieben ihn an den Rand der Verzweiflung zurück, da es nicht möglich erscheint, seinen Traum vom Studiumsabschluss zu vollenden.
Mit der Bitte um Unterstützung wende ich mich daher an Sie. Wie können wir alle einem jungen Humanisten helfen, der in seinem Land keine freie Ausbildung genießen kann und weitab seiner Heimat nach einem Ort suchen musste, wo er seine eigene Meinung, seine Weltanschauung und sein Leben so bestreiten kann, wie er es möchte? Lamines größter Traum ist es, sein Studium hier zu beenden. Doch um die Uni wieder regelmäßig besuchen zu können, braucht er einen finanziell sicheren Rahmen, der ihm die Miete, seine teure Krankenversicherung, aber auch sein tägliches Essen garantiert. Mit jeder Geldspende kann sich Lamine mehr auf sein Studium konzentrieren als auf das Erwirtschaften seines Lebensunterhaltes. Auch Lebensmittelgutscheine oder andere Möglichkeiten der Unterstützung sind sehr willkommen.
Im Namen des Vorstands des DFW danken wir herzlichst für Ihre Unterstützung!
Bankverbindung:
Bank für Sozialwirtschaft, Berlin
IBAN: DE64 1002 0500 0003 3974 00
BIC: BFSWDE33BER
Verwendungszweck: Spende Lamine Madani
Dieser Spendenaufruf ist eine Initiative des DFW unter der Leitung der Vize-Präsidentin Silvana Uhlrich-Knoll. Gerne können Sie unter post@dfw-dachverband.de weitere Informationen zu Lamine Madani erhalten bzw. persönlich mit ihm in Kontakt treten, wenn Sie dies wünschen.
Silvana Uhlrich-Knoll